13 Personen saßen Samstag am frühen Nachmittag beisammen, um sich Geschichten von Früher anhand von sogenannten Wende-Orten zu erzählen. Die Gruppe war recht ausgewogen in ihrer Alterstruktur. Einige lauschten den Geschichten, während andere sie erzählten. In gemütlicher Runde wurde bei Kaffee und Kuchen so nach und nach der Stadtplan Wittenberges immer gespickter mit Markern für die Wende-Orte.
Im Rahmen des ersten Erzählsalons im Stadtsalon Safari ging es um Orte, mit denen noch heute Erinnerungen verknüpft sind. Auch wenn es viele von ihnen nicht mehr gibt. So etwa das alte Krankenhaus, an dessen Stelle jetzt das AWO Seniorenzentrum steht. Nur das Portal erinnert noch an die Vergangenheit des Orts.
Wende-Orte in Form von Gedichten
Bärbel Tiedemann war zu Gast und konnte von vielen Wittenberger Orten berichten. Sie tat dies in Form von selbst geschriebenen Gedichten, die sie den Anwesenden vortrug. Darin ging es auch um ihre Kindheit. Gern erinnert sie sich noch an die Bonbons und Sauerkrauttüten, die sie im Tante-Emma-Laden in der Bahnstraße kaufte. Heute ist an dessen Stelle das Café Hecht.
Resi Kämling vom Seniorenbeirat lebt zwar noch nicht seit ihrer Kindheit in Wittenberge, konnte sich aber noch gut an die Brandstifter-Serie von 1984 erinnern. Damals arbeitete sie in der Kaufhalle in der Dr.-Wilhelm-Külz-Straße, die sie mit Ihren Kolleg*innen gemeinsam vor den Anschlägen bewachen musste.
An die ehemalige Badeanstalt an der Elbe konnten sich noch alle erinnern. Viele Wittenberger gingen damals hier für fünf Pfennig Eintritt schwimmen. Auch Peter Awe von der Montessori-Schule verbrachte hier seine Sommer. Außerdem mussten die Schüler früher einmal in der Woche in die Zellwolle zur Arbeit gehen, erinnert er einen weiteren Wende-Ort.
Die Erinnerungen reichen noch weiter in die Vergangenheit…
Veronika Krause, die eine der Ältesten unter den Gästen war, erinnerte sich sogar noch weiter in die Vergangenheit. Ihre Erzählungen handelten vom Zweiten Weltkrieg. So berichete sie vom Heisterbusch, wo Fesselballons die feindlichen Flieger abwehren sollten. Geprägt haben sie aber auch die Lager, die an verschiedenen Stellen in der Stadt zu finden waren und in denen auch Zwangsarbeiter lebten.
Das Safari soll übrigens zu damaligen Zeiten erst ein Spielwarengeschäft und später ein Gemüseladen gewesen sein, bevor es zu dem namensgebenden Dekorationsgeschäft wurde, um dann zum Raum für Kunst und Kultur zu werden.
So viel Geschichte steckt in dieser Stadt an der Elbe. Ein völlig neues Erleben des städtischen Raums ist möglich mit all diesem Wissen im Kopf. Die Straßen erforschen mit neuen Augen, die Menschen betrachten auf neue Art. All das wegen zwei Stunden Gespräch mit Zeugen einer anderen Zeit, die über ihre persönlichen Wende-Orte sprachen.
Im Weiteren ist der Plan, die auf Tonband aufgenommenen Geschichten zu verschriftlichen und auf Tafeln aufzubringen. Anschließend sollen diese an den jeweiligen Orten angebracht werden. So kann jede*r Spaziergänger*in ebenfalls einen neuen Blick auf alte Gebäude oder Leerstände erhalten oder erfährt Vergangenes über heute neue Orte.